Ein kleines Buch, leise im Ton, zur?ckhaltend im Format - und vielleicht gerade deshalb so eindrucksvoll: Mit "Was bleibt" ist Helga Beisheim etwas gelungen, das es in dieser Form selten gibt: Eine Werkschau als stilles, kluges Selbstportr?t statt eines gro?en Coffeetable-Books.
Beisheim blickt auf nahezu drei Jahrzehnte k?nstlerischer Arbeit zur?ck, nicht mit dem Anspruch auf Vollst?ndigkeit, sondern mit einem wachen, selbstkritischen Blick auf Prozesse, Versuche und Wege. Sie zeigt Projekte, keine Positionen, und l?sst die Lesenden teilhaben an einem Denken, das im Machen wurzelt - offen, tastend, neugierig. Ganz ohne Superlative erz?hlt dieses Buch davon, was bleibt, wenn man sich auf das Unsichere einl?sst.
Die Publikation umfasst Arbeiten aus fast drei Jahrzehnten, verzichtet aber bewusst auf die Darstellung ihrer malerischen, zeichnerischen oder fotografischen Einzelwerke, sofern sie nicht Teil eines gr??eren Projekts sind. Stattdessen konzentriert sich Beisheim auf eine Auswahl konzeptueller und prozesshafter Arbeiten, die sie mit pers?nlichen Texten begleitet.
Der Titel ist programmatisch zu verstehen: Es geht um Spuren, Fragmente, Prozesse - um das Unplanbare im k?nstlerischen Tun, um Zwischenst?nde und Weggabelungen. In ihren Begleittexten berichtet Beisheim von der Neugier, dem Ausprobieren, dem Nichtwissen. Sie beschreibt, wie Projekte sich entwickeln, oft anders als gedacht, und wie das Machen selbst zur Erkenntnis wird. Ihre Reflexionen verweben pers?nliche Erinnerungen mit der materiellen Seite der Arbeiten: Notizen, Skizzen, fotografische Dokumente, Erfahrungen vor Ort. Diese subjektive Perspektive macht das Buch zu einem sehr lebendigen Archiv.
Drei exemplarische Arbeiten aus dem Buch veranschaulichen diesen Ansatz besonders eindr?cklich:
"Apfel" (1997) ist eine vielschichtige Untersuchung eines simplen Motivs: der Apfel und sein Zerteilen. Die Arbeit beginnt als performative Handlung im Rahmen eines Seminars und entfaltet sich ?ber verschiedene mediale Transformationen - von der Malerei ?ber den Abklatsch bis zur Papierskulptur. Die gew?hlte blaue Farbe verleiht der Serie eine beinahe klinische Klarheit, die sich mit der sinnlichen Qualit?t des Apfels reibt. Es ist eine Arbeit ?ber Teilung und Spiegelung, ?ber die ?bersetzung eines Objekts in Form und Geste.
"Mensch-Objekt" (1998/2000) erz?hlt von einer fotografischen Zusammenarbeit mit ihrem Sohn, dem Fotografen Ingo Beisheim, in der es um die Beziehung von K?rper und Objekt - hier: dem Stuhl - geht. Die K?nstlerin beschreibt nicht nur die k?nstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern auch die zwischenmenschliche: die anf?ngliche Distanz, die sich durch das gemeinsame Arbeiten in Vertrauen verwandelt. Diese pers?nliche Perspektive verleiht der Serie eine emotionale Tiefe, die in rein sachlichen Kontexten oft verloren geht.
Die Arbeit "48 B?ume" (2001) schlie?lich steht exemplarisch f?r Beisheims methodisches Vorgehen: vor Ort, k?rperlich pr?sent, dokumentierend, tastend. Ausl?ser war die Rodung einer Pappelreihe in Ostfriesland. Beisheim versuchte zun?chst, die Schnittfl?chen der gef?llten B?ume als Druckst?cke zu verwenden - was misslang. Der Umweg ?ber Frottagen auf Chinapapier wurde zur eigentlichen Arbeit. Die k?rperliche Anstrengung, die Abh?ngigkeit vom Wetter, die Gespr?che mit Passanten: All das flie?t in die Arbeit ein, nicht als Dekoration, sondern als ihr konstitutives Element.
Die sp?tere Erweiterung der Arbeit mit "Jahre oder der 49. Baum" (2004/2005) - einer Gegen?berstellung von Portr?ts der K?nstlerin aus jedem Lebensjahr - verwebt Biografie und Konzeptkunst zu einem eindrucksvollen Selbstportr?t im Dialog mit der Natur.
Mit "Was bleibt" ist Helga Beisheim ein Buch gelungen, das nicht nur Werke dokumentiert, sondern k?nstlerisches Arbeiten selbst sichtbar macht - als Prozess, als Suchbewegung, als gelebtes Denken. Es ist eine Einladung, das Offene im Werk zu erkennen, die Abweichung zu sch?tzen und der Spur der Fragen zu folgen, statt auf fertige Antworten zu warten.
Ein Buch f?r alle, die Kunst nicht als Produkt, sondern als Erfahrung verstehen.